2 gegensätzliche Welten – auf der einen Seite Party mit Drogen, auf der anderen Seite Depressionen. In beiden Welten kommt LSD und Co. vor. Rauschmedikamente werden zunehmend in einem anderen Licht gesehen. Die Partydroge LSD (Lysergsäurediethylamid) zum Beispiel, gehört zu den psychotropen Substanzen aus der Gruppe der Psychodelika, die Rauschzustände erwirkt und von Feiernden gerne konsumiert wird. Es wurde von Albert Hofmann als Kreislaufmittel entwickelt und selbst er warnt vor unreflektiertem Konsum. Mit zunehmender Ächtung wurde die Forschung für diese Substanzen aber zurückgefahren. Die Wissenschaft traut sich nicht mehr, dieses Thema weiterzuverfolgen, um sich nicht verdächtig zu machen oder die Problematik zu verharmlosen. Vor allen Dingen in den USA und in der Schweiz wurden aber die wissenschaftlichen Untersuchungen weitergeführt mit dem Schwerpunkt der Therapie unbehandelbarer Depressionen. Kann microdosing (sehr niedrig dosiertes LSD) dieses Versprechen halten?
„Ich heiße Marie, bin 27 Jahre alt und komm aus Baden-Württemberg. Ich habe als Jugend- und Heimerzieherin gearbeitet. Ich stehe morgens auf und entscheide mich dann für microdosing, eine winzige Dosis LSD. Es folgt kein Trip, dafür aber mehr Konzentration.“
Wie wirkt LSD auf das Gehirn? LSD ähnelt unserem körpereigenen Neurotransmitter Serotonin – ein Botenstoff für die Nervenzellen – unter anderem im Gehirn – welche Signale austauschen. Die LSD-Einnahme bewirkt daher, dass Wahrnehmungen aus dem Körper andere Hirnregionen miteinander vernetzt werden, die normalerweise wenig miteinander zu tun haben. LSD und andere Halluzinogene – also Mittel, die die Wahrnehmung und das Bewusstsein verändern – sollen dadurch pharmakologische Wirkungen haben. Dies ist eigentlich nicht neu: Schon in den 1950er und 1960er-Jahren versuchten Psychotherapeuten und Psychiater Depressionen, Angststörungen und Alkoholismus mit sogenannten halluzinogenen Drogen zu behandeln.
Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken werden durch die Einnahme von LSD intensiver. Auch Sinneseindrücke, die das Bewusstsein sonst stärker trennt, werden unter LSD-Einfluss vom Gehirn miteinander verknüpft. Musik kann man dann zum Beispiel riechen. Auch kommt es zu optischen Halluzinationen, weil bei der Verarbeitung visueller Reize eben nicht nur, wie normalerweise üblich, das Sehzentrum beteiligt ist, sondern weitere Hirnregionen. Jetzt liegen aber neue Studien vor, die eine Wirkung der psychotropen Substanzen bei depressiven Erkrankungen zeigen. Letztlich ist aber noch nicht abschließend geklärt, warum LSD diese Wirkung hat. Zwischenzeitlich wurde angenommen, dass die halluzinogen-festgefahrenen Denkmuster aufbrechen. Studien haben gezeigt, dass die positive Wirkung mit einer Zunahme der funktionalen Verbindung zwischen verschiedenen Hirnregionen zustande kommt. Diese Annahme konnte durch Magnetresonanztomographien bestätigt werden. Dadurch sind jetzt Pharmakologen aufgerufen worden, weiterhin die Forschung und Entwicklung zu intensivieren. Studien sind auf den Weg gebracht.
An den Universitäten Zürich und Basel sehen Neuroforschende in psychedelischen Stoffen großes Potenzial. LSD, könnte die Psychiatrie aus der Sinnkrise holen. Sie helfen schnell und ihre Wirkung ist nur kurz anhaltend, machen aber nicht süchtig. Dies soll aber kein Aufruf zu unreflektierter Nutzung von LSD und anderen Substanzen sein, um einen Vorwand für Rauscherlebnisse zu haben. Auch stellen diese Substanzen keinen Ersatz für Psychopharmaka dar. Die Einnahme sollte kontrolliert durch Ärzte oder Psychiater erfolgen. Seit Jahren fehlt es an Innovationen, wie psychische Krankheiten wirksamer behandelt werden könnten. Depressionen sind das häufigste psychische Leiden. In der Schweiz laufen drei klinische Studien, die die Wirkung von Psychedelika auf depressiv erkrankte Menschen untersuchen.
mt
27.04.2022